8. Tagung Redenschreiben in Berlin.
Veranstalter ist die Deutsche Presseakademie. In Kooperation mit dem Verband der Redenschreiber deutscher Sprache wird ein spannendes Programm geboten.
Für mich war es die zweite Teilnahme – zum ersten Mal durfte ich als Referant ran und einen eigenen Workshop leiten.
Der Titel? “Nur noch kurz die Welt retten…hoffentlich…”.
Was?! Sie haben doch nicht etwa was Konventionelles erwartet, oder?
Berlin, Berlin – ich fahre nach Berlin!
Warum eigentlich?
“Schuld” daran ist meine Präsidentin – Jacqueline Schäfer, vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache. Sie kommt auf die Idee, meinen Namen ins Gespräch zu bringen – und schwupps, schon stehe ich im Programmheft!
Cool, oder? (Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass der VRdS der genialste Verband der ganzen Welt ist? Ja? Egal, ich tue es hiemit erneut!)
Den Titel und die Beschreibung habe ich mir auf den letzten Drücker überlegt. Irgendwann muss ich mir nur noch was Sinnvolles dazu einfallen lassen! Erst gehe ich in Richtung Zombie-Apokalypse oder Alien-Invasion – das findet meine Frau etwas zu bekloppt. Sogar für meine Verhältnisse.
Wir einigen uns dann auf einen drohenden Asteroiden-Einschlag:
Massives Eisen, 9,23 km im Durchmesser, 70 km pro Sekunde schnell – das gibt einen ordentlichen Krater! 203 km Durchmesser, um genau zu sein. Einschlagsort ist Paris (pardonnez-moi mes amies!), und zwar in etwa 17 Stunden.
Das war die Situation. Sie ahnen jetzt vielleicht schon, worauf es hinausläuft. Okay, ich verrate es Ihnen: Die Kanzlerin braucht Worte. Und meine Workshop-Teilnehmer arbeiten rein zufällig im Kanzleramt – lustig, oder?
Teamwork im Chaos
Zwei Teams werden gebildet, einmal Pressestelle und einmal Redenschreiber. Beide haben 35 Minuten Zeit, um das Ende der Welt zu verkünden. Zwischendurch gibt es Ereignisse, wie diese hier:
Im Presseteam wird berechtigterweise die Frage diskutiert, ob Abschiedsworte jetzt überhaupt noch Sinn machen. Oder doch Hoffnung ausdrücken? Ein „Wir schaffen das“-2.0? Warum eigentlich nicht? Wenn’s dieses Mal nicht klappt, auch egal – schlechte Presse wird es dann jedenfalls nicht mehr geben.
Ich jedenfalls bin erleichtert, dass sich die Teilnehmer auf diese Situation einlassen – nicht wirklich gestresst, sondern eher wie R.E.M., aber immerhin.
Irgendwann, kurz nach der Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, Atomsprengköpfe ins All zu schicken, keimt doch noch mal ein zartes Hoffnungspflänzchen:
Nach den 35 Minuten ist die Lage völlig unklar. Die Kanzlerin tritt mit bedeutungsschwangeren Worten vor die Kameras. Begleitet wird ihr Statement von einer kurzen Pressemitteilung.
Der Sinn dahinter
Sie fragen sich vielleicht jetzt: „Was soll das Ganze eigentlich?!“. Keine unberechtigte Frage – ich nehme an, die 7 tapferen Damen und Herren haben sie sich ebenfalls gestellt.
Es geht ein bisschen um Krisenkommunikation – aber gar nicht so sehr um theoretische Modelle, vorgesehene Strukturen, Meldewege oder so. Sondern darum, wie sich solche Situationen auf unsere Sprache auswirken:
Eine hochbrisante Lage, großes Medieninteresse, eine schnelle Verbreitung, immenser Zeitdruck, eine unsichere Faktenlage.
Das muss kein vernichtender Asteroideneinschlag sein: Terroranschlag, Amoklauf, Geiselnahme, Hackerangriff, Enthüllung eines Skandals, Flugzeugabsturz, Naturkatastrophen, usw. Beispiele gibt es viele, in denen wir unter extremem Druck stehen, nicht nur das Richtige zu sagen – sondern auch, nicht das Falsche zu sagen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meines Workshops haben solche Situationen schon erlebt. Ich auch. Darüber sprechen wir.
Am Ende frage ich die beiden Teams: Wie sollte unsere Sprache eigentlich sein, in solchen Szenarien?
Für die Erarbeitung möglicher Antworten bleibt dieses Mal etwas wenig Zeit. Die Mittagspause steht vor der Tür, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Das Büffet ist längst eröffnet. Trotzdem werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengetragen.
Für 35 Minuten Weltuntergang sind diese gar nicht schlecht, im Gegenteil – viele wichtige Aspekte kommen auf den Tisch und dann an die Metaplanwand.
Das Wichtigste ist aber: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich diese nicht am grünen Tisch überlegt, sondern es am eigenen Leib erlebt. Sie haben ihre Komfortzone verlassen und ganz kurz Armageddon gespielt – mit Stift und Papier statt coolem Raumanzug und Bruce Willis.
Was nehme ich daraus mit?
Es war eine spannende Erfahrung und auch ein kleines Experiment. Mir hat es ziemlich viel Spaß gemacht – aber: Anderthalb Stunden sind leider viel zu kurz.
Der Stoff reicht für ein ganzes Seminar. Das plane ich gerade schon im Kopf.
Dann bleibt vielleicht auch noch genug Zeit, um die Welt zu retten.
Hoffentlich.
Selten habe ich mich so gerne schuldig bekannt! Danke für den Einsatz und das Lob für den Verband!